Glücksspielstaatsvertrag in Niedersachsen – Wirtschaftsministerium stellt neue Eckpunkte für Spielhallen vor

Posted on: 29/08/2018, 01:57h. 

Last updated on: 29/08/2018, 02:30h.

Nach monatelanger Kritik hat das Nieders?chsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung einen neuen Plan zur Umsetzung des bundesweiten Glücksspielgesetzes vorgelegt. Minister Althusmann (CDU) setzt auf die Vermeidung ?unbilliger H?rten“ für Betreiber von Spielhallen und einen verbesserten Spielerschutz.

Spielhallen in Berlin
Wer darf bleiben? In Niedersachsen soll nicht mehr das Los entscheiden. (Quelle:bild.de)

Sechs Jahre nach der Einführung des Glücksspielstaatsvertrages arbeitet sich das Land Niedersachsen weiterhin an der Umsetzung ab. Eigentlich waren die neuen Regelungen zum Spielhallengesetz bereits im Juni 2017 nach einer fünfj?hrigen übergangsfrist in Kraft getreten, tats?chlich führt der Widerstand der Industrie?aber weiterhin zu Kl?rungsbedarf.

Im Juli 2017 waren rund 1.900 nieders?chsische Spielhallen von der Pflicht zur Einhaltung eines Mindestabstandes betroffen: Nicht weniger als 100 Meter Luftlinie durften zwischen den Spielst?tten liegen. Dies h?tte das Aus für ungef?hr die H?lfte aller Unternehmen bedeutet.

 

Am 1.Januar trat der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (kurz Glücksspielstaatsvertrag) in Kraft. Ziel waren Pr?vention vor Glücksspiel- und Wettsucht, die Gew?hrleistung von Jugend- und Spielerschutz die Begrenzung des Glücksspielangebots und die Eind?mmung illegaler Glücksspiele sowie der Schutz vor betrügerischen Machenschaften und Begleitkriminalit?t.

Nach einer Entscheidung des europ?ischen Gerichtshofes wurde 2011 ein Glücksspiel?nderungsvertrag von den Bundesl?ndern unterzeichnet. Die einzige Ausnahme bildete Schleswig-Holstein, das einen eigenen Weg gehen wollte und auf die Liberalisierung des Glücksspielmarktes setzt. Aus dem gleichen Grund blockierte das Bundesland auch die zweite Reform des Vertrages im Jahre 2017. Die im Alleingang von Schleswig-Holstein ausgestellten einzigen deutschen Lizenzen für Online-Casinos erl?schen mit Ablauf der Jahres 2018.

Auch der derzeitige Glücksspielstaatsvertrag endet mit dem 30. Juni 2021. Eine Einigung der Wirtschaftsminister ist somit dringend notwendig. Ob die Umsetzung in der Folge L?ndersache bleibt oder bundeseinheitlich geregelt werden wird, ist bislang nicht abzusehen.

 

Mittlerweile mussten bereits 700 Spielhallen in Niedersachsen schlie?en. Besonders hart traf die Regelung die sogenannten Multiplexe, also St?tten, an denen mehrere Spielhallen unter einem Dach versammelt waren.

Wer bleiben durfte, sollte das Los entscheiden.

Insbesondere gegen diese Form der Entscheidung zogen die Betreiber zu Hunderten vor Gericht. Wohl mit Erfolg: Medienberichten zufolge wurde das Losverfahren bereits im September 2017 vom Nieders?chsischen Oberverwaltungsgericht für rechtswidrig erkl?rt.

Objektive Kriterien statt Losverfahren

Althusmann
Wirtschaftsminister Althusmann (CDU) aus Niedersachsen (Quelle:berliner-zeitung.de)

Nach Gespr?chen mit kommunalen Verb?nden setzt Wirtschaftsminister Althusmann nun auf sachliche Auswahlkriterien. Künftig sollen der Abstand zu Schulen und alkoholausschenkenden Gewerben sowie ein freiwilliges Rauchverbot bei der Vergabe von Lizenzen eine Rolle spielen.

Auch der freiwillige Verzicht, Automaten in Zweiergruppen aufzustellen, werde zugunsten der Betreiber berücksichtigt.

Allgemein kommt Niedersachsen der Branche entgegen: Wie der Mitteilung des Wirtschaftsministeriums zu entnehmen ist, ist ?die Auswahl der entsprechenden Spielhallen zun?chst so zu treffen, dass die sogenannte ?Standortkapazit?t“ im Hinblick auf den Mindestabstand auszusch?pfen ist.“

Im Klartext: Hannover m?chte die Spielhallenbetreiber nicht verprellen, sondern die rechtlichen M?glichkeiten so weit wie m?glich ausnutzen.

Sonderregelungen für ?Multiplexe“

Neben dem Losverfahren waren es vor allem die Betreiber von ?Mehrfachkomplexen“, die gegen die nieders?chsische Umsetzung der Regelungen protestiert hatten.

Laut Entwurf des Ministeriums soll es ihnen künftig m?glich sein, im Rahmen einer H?rtefallregelung weiterhin maximal zwei Spielhallen unter einem Dach zu betreiben.

Mit der Verl?ngerung der Frist würden die ?Auswirkungen, die Hallenschlie?ungen insbesondere in Ansehung get?tigter Investitionen und auch für die Mitarbeiter zwangsl?ufig mit sich bringen, abgefedert“, lie? das Ministerium verlauten.

Neue Ma?nahmen zum Spielerschutz

Neben den ?nderungen zur Vergabe von Lizenzen setzt Niedersachsen aber auch auf eine Ausweitung des Spielerschutzes: Künftig soll es den Betreibern der Spielhallen nicht mehr erlaubt sein, ihre G?ste vor Ort mit frischem Geld zu versorgen. Wer sein Geld komplett verspielt hat, ist so gen?tigt, die Location zumindest kurzfristig zu verlassen.

Bei Zuwiderhandlung drohen dem Betreiber empfindliche Strafen. Bis zu 500.000 Euro Geldbu?e sieht der neue Entwurf vor, sollte das Verbot missachtet werden.

Einen weiteren Eckpunkt des überarbeiteten Gesetzentwurfes stellt die Einführung einer landesweiten Sperrdatei ein. Nach Vorbild des Bundeslandes Hessen soll es Spielern, die ein problematisches Spielverhalten bei sich feststellen, künftig m?glich sein, sich auf eine Sperrliste zu setzen. Somit ist w?re der Zugang zu den Automaten in Spielhallen künftig verwehrt.

Kritik von Suchtberatung

Laut eigener Angabe hat sich das federführende nieders?chsische Ministerium im Zuge der Erarbeitung der neuen Eckpunkte auch mit der Nieders?chsischen Landesstelle für Suchtfragen zum Gespr?ch getroffen.

Für Spielsuchtberaterin Simone Beilken von der Drogenberatungsstelle in Delmenhorst gehen die Vorst??e aber nicht weit genug: Eine Sperrdatei für Spielhallen begrü?e sie, jedoch seien von dieser Regelung einzelne Spielautomaten in Gastst?tten nicht betroffen.

 

Automaten in Gastst?tten müssten komplett verboten werden

 

Tats?chlich seien es aber diese, die ein gro?es Risiko für gef?hrdete Spieler darstellten. Auch der Jugendschutz würde hier nicht konsequent beachtet.

Ein weiterer Kritikpunkt Beilkens: Im Gegensatz zu den schon existenten Sperrdateien von Spielbanken sehe der nieders?chsische Entwurf nur vor, dass der Spieler sich selbst eintragen lasse. Wichtig w?re aber insbesondere die M?glichkeit für Angeh?rige, eine Fremdsperre erwirken zu k?nnen.

 

Laut jüngstem Bericht der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) von 2018 machten die Betreiber von Glücksspielen im Jahr 2016 in Deutschland einen Umsatz von 45,203 Milliarden Euro. Mehr als zwei Drittel davon entfielen auf Spielautomaten in Gastst?tten und Spielhallen. Inwieweit die Umsetzung des Glücksspielvertrages in den L?ndern etwas an diesen Zahlen ?ndert, wird die Zukunft zeigen.