Breaking Bad auf dem Bauernhof? Spielsüchtiger vor Gericht

Posted on: 16/03/2019, 10:04h. 

Last updated on: 04/04/2019, 10:23h.

Weil er sich im Rahmen seiner Spielsucht mit 100.000 Euro bei den falschen Leuten verschuldete, fühlte sich ein 40-J?hriger nach eigenen Angaben dazu gezwungen, ein Drogenlabor auf einem Bauernhof in Wachtendonk (NRW) zu betreiben. Im Prozess sollte ein Gutachten nun kl?ren, ob das pathologische Glücksspiel die Einsichts- und Steuerungsf?higkeit des Mannes eingeschr?nkt habe.

altes Geh?ft
Auf einem abgelegenen Geh?ft sollen die sechs Angeklagten Drogen produziert haben (Symbolfoto, Quelle:pixabay.com/hansbenn)

Schwarzmarktwert in Millionenh?he

Vor dem Landgericht Kleve wird ein seit Dezember 2018 laufender Prozess gegen den Mann und fünf weitere Angeklagte fortgesetzt.

Ihnen wird vorgeworfen, von Januar bis April 2018 über 2100 Liter Amphetamin-?l hergestellt und vertrieben zu haben.

Laut Experten soll sich eine solche Menge zur Herstellung von über 9.000 Tonnen Speed mit einem Schwarzmarktwert im hohen zweistelligen Millionenbereich eignen.

Amphetamin-?l dient als Grundsubstanz zur Herstellung von konsumierbarem Amphetamin.

Die synthetische-chemische Verbindung wirkt appetitzügelnd, aufputschend und in hohen Dosen euphorisierend. Im

L-Amphetamin Struktur
Die chemische Struktur von L-Amphetamin (Quelle:NEUROtiker, gemeinfrei)

Drogenkontext ist Amphetamin als ?Speed“ oder ?Pep“ bekannt, die chronische Einnahme kann u.a. zu Abh?ngigkeit, Nierensch?den und Psychosen führen.

Angeklagt sind die 54-j?hrige Besitzerin eines Hofes in Wachtendonk nahe der niederl?ndischen Grenze, ihre 27 und 31 Jahre alten S?hne, sowie ein 21-j?hriger Hofhelfer, ein Lkw-Fahrer aus Polen (41) und ein Belgier (40) mit Wohnsitz in den Niederlanden.

Nun besch?ftigt sich das Gericht mit dem psychiatrischen Gutachten des Belgiers, der laut Angaben seines 31-j?hrigen Komplizen der Initiator der Drogenküche gewesen sein soll.

Drogenküche in Wachtendonk

Der ?ltere der mitangeklagten Brüder hatte vor Gericht angegeben, den als ?der Holl?nder“ bezeichneten Mann kennengelernt zu haben, als dieser sich 2017 für ein zu vermietendes Geb?ude auf dem Hof seiner Mutter interessiert habe.

Breaking Bad
Walther White in Wachtendonk? (Quelle:flickr.com/BagoGames, licensed under CC BY 2.0)

Als ihm klargeworden sei, dass der Mieter auf dem Grundstück Drogen herstellte, sei er zun?chst geschockt gewesen. Schon bald aber sei auch er in der Hoffnung auf das schnelle Geld miteingestiegen.

Hierfür habe ?der Holl?nder“ ihm die einzelnen Arbeitsschritte zur Herstellung des Amphetamin-?ls erkl?rt und sogar eine ?Koch-Anleitung“ an die Geb?udewand geschrieben.

Letztlich sei so ein professionelles Drogenlabor inklusive acht Kochstellen, Filteranlage, überwachungskamera, St?rsender und Containern für Chemieabf?llen entstanden. So mancher k?nnte sich fragen, ob sich die Angeklagten durch Breaking Bad haben inspirieren lassen.

Explosion und gesundheitliche Sch?den

W?hrend der Belgier in erster Linie für Organisation und Logistik zust?ndig gewesen sei, habe er selbst von frühmorgens bis zum sp?ten Nachmittag in der Drogenküche gearbeitet. Mit dramatischen Folgen:

Ich habe Blut gespuckt wegen der D?mpfe, konnte nicht schlafen. Meine Fü?e waren von der S?ure zerfressen.

Nach einer von dem Belgier fahrl?ssig verursachten Explosion und der Stürmung des Labors?durch das SEK im April 2018 half der 31-J?hrige der Polizei dabei, seinen Komplizen dingfest zu machen.

Jahrzehntelange Spielsucht

In einem 64-seitigen psychiatrischen Gutachten wurde nun der geistige Zustand des Belgiers unter die Lupe genommen. Der Mann hatte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gr??tenteils einger?umt, bestritt aber, der Drahtzieher des Unternehmens gewesen zu sein.

Vielmehr sei er durch seine bereits Jahrzehnte andauernde Spielsucht unfreiwillig in die Rolle des Drogenproduzenten geraten.

Der Angeklagte gab an, mit 16 Jahren zum ersten Mal in Kontakt mit dem Glücksspiel gekommen zu sein und seit seinem 18. Lebensjahr regelm??ig Spielhallen und Casinos frequentiert zu haben. Insbesondere das Roulette-Spiel habe es ihm angetan.

Im Laufe der Zeit habe er die Kontrolle über sein Spielverhalten verloren. Laut Gutachten begab sich der Angeklagte bereits in den Niederlanden in Therapie?und erlegte sich selbst Regeln für einen vernünftigen Umgang mit dem Glücksspiel auf. Beides zeigte ebenso wenig Wirkung wie die von ihm beantragten Casinosperren.

Zur Drogenproduktion gen?tigt

Drogen Lines
Das produzierte ?l soll zur Herstellung von Speed im Wert von vielen Millionen gereicht haben (Quelle:flickr.com/Marco Verch, licensed under CC BY 2.0)

Der 40-J?hrige gab dem Gutachter gegenüber an, sich zur Finanzierung seiner Sucht zun?chst Geld bei Freunden und Bekannten geliehen zu haben. Sp?ter habe er Schulden bei ?den falschen Leuten“ gemacht.

Diese Kreditgeber, so der Mann, h?tten ihn unter Androhung von Gewalt dazu gebracht, das Drogenlabor einzurichten, um seinen Ausstand von 100.000 Euro auszugleichen.

Zur Identit?t der angeblichen Hinterm?nner schwieg der Angeklagte, auch die von ihm genutzten Vertriebswege sind bis heute unbekannt.

Pers?nlichkeit ?nicht deformiert“

Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass der Mann die Kriterien der Diagnose ?pathologisches Glücksspiel“ erfülle, seine Einsichts- und Steuerungsf?higkeit sei bei Tatbegehung aber nicht ma?geblich eingeschr?nkt gewesen.

Auch habe die Spielsucht nicht zu einer ?Deformierung der Pers?nlichkeit“ des Angeklagten geführt. Eine diesbezügliche Strafminderung dürfte somit ausgeschlossen sein.

Laut Gutachter ben?tige der Mann dennoch Hilfe im Kampf gegen die Sucht und strebe auch selbst eine erneute Therapie an. Zeit genug hierfür dürfte er künftig haben: Bei Verurteilung drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft.