Nomophobie und Spielsucht: Italienische Fünf-Sterne-Bewegung fordert Ma?nahmen gegen obsessive Smartphone-Nutzung

Posted on: 23/07/2019, 02:54h. 

Last updated on: 23/07/2019, 02:54h.

Die italienische Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) plant, gegen die Abh?ngigkeit von mobilen Endger?ten vorzugehen, da diese Gefahren ?hnlich denen der Spielsucht berge. Hierfür legte die Regierungspartei am Montag einen Gesetzesentwurf vor. Mithilfe spezieller Programme und Pr?ventionsma?nahmen sollen insbesondere junge Menschen vor der sogenannten Nomophobie (“No-Mobile-Phobia”, dt. Angst kein mobiles Endger?t nutzen zu k?nnen) bewahrt werden.

Nahaufnahme junge Frau mit Handy
Die italienische M5S widmet sich dem Kampf gegen Nomophobie, die Angst ohne Smartphone auskommen zu müssen (Quelle:pixabay.com/filmbetrachterin)

 

Nomophobie: Schattenseite der Digitalisierung?

 

Neben Fortschritt und diversen Annehmlichkeiten birgt die Digitalisierung auch Risiken. Eine dieser Schattenseiten ist die besonders unter Jugendlichen immer st?rker um sich greifende Abh?ngigkeit von Smartphones.

In Italien will die Regierungspartei M5S nun Ma?nahmen ergreifen, um der Nomophobie genannten massiven Angst, ohne Smartphone auskommen zu müssen, Einhalt zu gebieten. Deshalb legte sie der Abgeordnetenkammer nun einen Gesetzesentwurf vor.

Aktiv an der Umsetzung beteiligt werden sollen Bildungs- und Gesundheitsministerium. Unterstützung k?nnten Polizei, Jugendbeh?rden, Daten- und Spielerschützer bieten.

?Nomophobie“ bezeichnet die Panik davor, ohne Mobiltelefon auskommen zu müssen. Vom leeren Akku über den Verlust des Ger?tes bis hin zur Besch?digung des Smartphones k?nnen diverse Szenarien massive ?ngste bei den Betroffenen ausl?sen.

Im Fokus stehen hierbei die st?ndige Erreichbarkeit sowie das Bedürfnis, ununterbrochen online aktiv sein zu k?nnen. Dies bezieht sich insbesondere auf die Nutzung sozialer Netzwerke. Auch Online Gaming und Online Glücksspiel k?nnen im Kontext der Nomophobie eine ma?gebliche Rolle einnehmen.

Künftig sollen italienische Eltern vom Staat dabei unterstützt werden, ihre Kinder zu einem gesunden Umgang mit mobilen Endger?ten zu erziehen. Trainings- und Pr?ventionsprogramme sollen sie schulen, Anzeichen einer Nomophobie zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken.

Zudem sieht die M5S die italienischen Bildungseinrichtungen in der Verantwortung. Künftig soll in Schulen und Universit?ten auch Medienkompetenztraining auf dem Lehrplan stehen. Die Schriftführer wünschen sich Einheiten zum ?bewussten Umgang mit dem Internet und sozialen Medien“.

 

Nomophobie und Spielsucht: Auswirkungen auf K?rper und Geist

 

Als Grund für den Vorsto? nennt die Partei Erkenntnisse, nach denen die Nomophobie in ihrer Funktionsweise mit der Spielsucht vergleichbar sei. So wirkten sich beide direkt auf biochemische Vorg?nge im Gehirn aus und hemmten die Produktion des sogenannten ?Glücksshormons“ Dopamin.

In ihrer Erl?uterung beruft sich die M5S auf Erkenntnisse des US-amerikanischen Psychiatrieprofessors David Greenfield:

Jedes Mal, wenn wir eine Benachrichtigung auf dem Mobiltelefon sehen, steigt der Dopaminspiegel, weil wir glauben, dass etwas für uns Neues und Interessantes geschieht. Das Problem ist jedoch, dass man nicht im Voraus wissen kann, ob wirklich etwas Erfreuliches passieren wird. Man hat also den Impuls, das Handy st?ndig zu kontrollieren, um den gleichen Mechanismus auszul?sen, der bei einem Spielsüchtigen aktiviert wird.

Studien best?tigen, dass die Nomophobie schwere Auswirkungen auf die Betroffenen haben kann. So kommt es nicht nur zu psychischen Symptomen wie Unruhe, Nervosit?t und Gereiztheit. Auch k?rperliche Beschwerden, die mit denen einer Panikattacke vergleichbar sind, sollen keine Ausnahme darstellen.

Hierzu geh?ren unter anderem Atemnot, Schwindel, Zittern, Schwitzen, ein beschleunigter Herzschlag, Schmerzen in der Brust und übelkeit.

 

Hoher Stellenwert des digitalen Lebens

 

Eine vom italienischen Meinungsforschungsinstitut Agi Censis (Seite auf Italienisch) durchgeführte Studie ergab, dass immer mehr Menschen ausgepr?gte Online-Aktivit?ten als integralen Bestandteil ihres Lebens verstehen.

So gab ein Gro?teil der Befragten an, unmittelbar vor dem Schlafengehen (77,7 Prozent) und nach dem Aufwachen (63 Prozent) online zu sein. 79,7 Prozent der jugendlichen Teilnehmer nutzten ihre Smartphones auch im Bett. Mit 49,7 Prozent verzichtete knapp die H?lfte von ihnen auch am Esstisch nicht auf die digitale Interaktion.

Die Wissenschaft kategorisiert unterschiedliche St?rungen im Zusammenhang mit der überm??igen Nutzung des Internets. Hierzu z?hlen unter anderem

?Fomo“ (Fear of missing out): die zwanghafte Sorge, etwas Wichtiges zu verpassen oder nicht auf dem neuesten Stand zu sein

?Vamping“: unkontrollierte n?chtliche Online-Aktivit?t mit darauffolgendem Schlafmangel

?Hikikomori“: Extremer sozialer Rückzug

?Phubbing“: Das Ignorieren anderer aufgrund massiver Besch?ftigung mit dem Smartphone

Mit dem Vorsto? der M5S, die Nomophobie offiziell angehen zu wollen, wagt Italien m?glicherweise den Schritt zu einem neuen Umgang mit den negativen Begleiterscheinungen der Digitalisierung für Gesellschaft und Gesundheit des Einzelnen. Ob und wann der der Gesetzesentwurf verabschiedet werden k?nnte, ist bislang nicht klar.

Sicher scheint aber, dass er nicht nur in Italien ein Schlaglicht auf die Notwendigkeit eines bewussten Umgangs mit den Herausforderungen einer zunehmend vernetzten Welt wirft.