Fanproteste im Fu?ball: Wut und Stille

Posted on: 30/09/2018, 05:30h. 

Last updated on: 28/09/2018, 06:21h.

Montagsspiele, neue Ansto?zeiten, übertragung im Pay-TV: Die Entwicklungen im deutschen Fu?ball treffen bei vielen Fans auf Unverst?ndnis. Der Vorwurf: Eine Kommerzialisierung des Ballsports auf Kosten der Fans. Mit konzertierten Protestaktionen machen sie ihrem ?rger Luft.

Pyrotechnik in Fu?ballstadion
Fanproteste: Wut und Stille in deutschen Stadien (Quelle:Pexels.com/simon rosengren)

Bereits seit Jahren g?rt es in Fu?balldeutschland. Fan-Organisationen und Verb?nde liegen im Clinch, bei kaum einem Thema herrscht Einigkeit. Die Konsequenz: Immer wieder kommt es in Fu?ballstadien zu prominent inszenierten Protesten der Fanszenen gegen die Politik von DFB und DFL.

Nach der Aufkündigung des Dialogs mit den Dachverb?nden des deutschen Fu?balls im August setzen die organisierten Fans nun vermehrt auf gro?angelegte Aktionen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Stimmungsboykott in der englischen Woche

Am fünften Spieltag machte ein breites Fanbündnis mit einem ?Stimmungsboykott“mobil. Für die Funktion?re zur Unzeit: Die Verkündung über Erfolg oder Misserfolg der Bewerbung für die EM 2024 stand vor der Tür. In vielen Begegnungen blieb es auf den Tribünen für die ersten 20 Minuten der Partie still, statt auf Fanges?nge setzten die Zuschauer auf Stille und gro?fl?chige Protestplakate.

Im Spiel Werder Bremen gegen Hertha BCS bestand die gesamte Ostkurve des Weserstadions zun?chst aus zwei grün-wei?en Bannern. ?Football is for you and me – not for fu**ing Pay-TV“ (dt. Fu?ball ist für dich und mich – nicht für das verdammte Bezahlfernsehen), hie? es hier und ?Spieltagszerstückelung stoppen”.

Fans lassen Banner sprechen

In München und Hannover w?hlte man den Slogan des Stimmungsboykotts, um auf sich aufmerksam zu machen:

Ihr werdet von uns h?ren – oder auch nicht(s)!

Auch in Dortmund wurden vor Anpfiff der Partie gegen den 1.FC Nürnberg zwei Spruchb?nder ausgerollt: ?Wir brauchen keine gekaufte EM, sondern Ver?nderungen“ und ?Egal in welcher Liga, egal in welcher Stadt, Mittagspiele geh?ren abgeschafft“ war darauf zu lesen.

Die Begegnung Borussia M?nchengladbach – Eintracht Frankfurt startete mit einem minutenlangen Pfeifkonzert von den R?ngen.

Gro?e Banner im Stadion müssen in der Regel von den Klubs abgesegnet werden. Dennoch kommt es immer wieder dazu, dass auch beleidigende Bilder und Spruchb?nder auf den Tribünen zu sehen sind. Diese sind verboten, werden aber immer wieder mit gro?em Aufwand in die Stadien geschmuggelt.

Zumeist werden kleine Teile von etlichen Personen ins Stadion geschmuggelt und dort zusammengesetzt. Beliebte Verstecke sind Socken, Schuhe und Unterw?sche. Am Einlass sorgen dann gr??ere Gruppen durch Dr?ngeln oft dafür, dass das Ordnerpersonal unter Druck ger?t und die Kontrollen nicht intensiv durchführen kann.

Teilweise verschaffen sich Ultras auch schon Tage vor der Partie Zutritt zum Spielort, beispielsweise bei Stadionbesichtigungen, und verstecken die Materialien vor Ort. Auch Personen, die nur selten kontrolliert werden, wie Sanit?ter oder Catering-Mitarbeiter, k?nnen am Schmuggel beteiligt sein.

Grund für die Proteste: Die aus Sicht der Fans unzul?ssige Kommerzialisierung und Eventisierung des Fu?balls, Korruption und Ungerechtigkeit im Umgang mit den Fans.

Kommerzialisierung und Entfremdung

Eine Mitteilung des Bündnisses ?Fanszenen Deutschland“ macht das Anliegen hinter den Aktionen klar:

Wir wollen zeigen, dass die gro?e Masse an Fans nicht damit einverstanden ist, was einige wenige Funktion?re mit unserem geliebten Fu?ball veranstalten (…) Zeigt denen da oben, dass die Fans in den Stadien nicht gewillt sind, immer neue Auswüchse der Kommerzialisierung und Entfremdung in Kauf zu nehmen!

?Die da oben“ sind nach Ansicht der Fans der DFB und der DFL, die u.a. durch die Zerstückelung der Spieltage in der Bundesliga allein im Sinne des Kommerzes′ und zum deutlichen Nachteil der Fu?ballliebhaber agieren.

So bedeuten Spiele unter der Woche enorme Strapazen für die Fans der Gastmannschaften, die z.T. eine Anreise von mehreren Hundert Kilometern in Kauf nehmen, um ihren Verein vor Ort zu unterstützen. In Kombination mit der neu eingeführten Ansto?zeit um 18.30 Uhrw?hrend der englischen Wochen, in denen die Mannschaften mehrere Spiele bestreiten müssen, ist dies für Berufst?tige oft nur noch unter Verwendung eines Urlaubstages zu bewerkstelligen.

Show statt Sport

Helene Fischer
Nicht willkommen beim DFB-Pokal: Schlagers?ngerin Fischer ((Quelle: Sven-Sebastian Sajak licensed cunder cc by sa 3.0)

Ein weiterer Stein des Ansto?es: Der Versuch, den Fu?ball zur Show zu machen. Ein Beispiel hierfür war der Auftritt des Schlagerstars Helene Fischer beim DFB-Pokalfinale im vergangenen Jahr, der für teils heftige Reaktionen sorgte. Bei ihrem Auftritt musste die S?ngerin ein ohrenbet?ubendes Pfeifkonzert über sich ergehen lassen, eigentlicher Adressat des Protestes waren allerdings die Organisatoren, nicht Fischer selbst. W?hrend die Fans die Halbzeitpause als echte Pause und sich selbst als für die Stimmung im Stadion verantwortlich, senden die Verb?nde eine andere Botschaft. Im Sinne der amerikanischen Super Bowl-Halbzeitshow soll das Spiel zum Event werden, der Sport tritt in den Schatten der Show.

Dubiose Vorg?nge rund um das ?Sommerm?rchen“

Anhaltende Kritik ernten die Verantwortlichen auch für die schleppende Aufkl?rung der Geschehnisse rund um die Vergabe der Fu?ball-WM 2006. W?hrend die EM 2024 als ?Leuchtturmprojekt“ nach Deutschland geholt wurde, steht der Verdacht im Raum, dass Schmiergeldzahlungen in Millionenh?he für den Zuschlag bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land verantwortlich waren. Die betreffenden Funktion?re und der DFB weisen die Vorwürfe von sich und geben sich unkooperativ.

Eine lange Liste ernster Themen

Die Vorwürfe der Fans sind mannigfach. Neben den obengenannten geht es den Protestlern unter anderem auch um die als intransparent wahrgenommenen Sportgerichte, die Handhabung von Stadionverboten, die Relegationsregelungen in den Regionalligen, die Entscheidung, Chinas U20 au?er Konkurrenz in der Regionalliga Südwest teilnehmen zu lassen und die gefürchtete Aufweichung der 50+1-Regelung, die Vereine vor der Vereinnahmung durch Investoren schützen soll.

Die Liste der Protestgründe ist lang, die Fans fühlen sich von den verantwortlichen Funktion?ren nicht ernstgenommen. Und auch innerhalb der Szene sieht man die neueren Proteste aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Für die Schalker Fans kam der Schweigeboykott nicht infrage, die Gelsenkirchener Ultras wandten sich in einer Erkl?rung gegen ?”blinden Aktionismus ohne ein klares Konzept und vor allem ohne eine notwendige Selbstreflektion in den eigenen Reihen”.

Schweigen auch bei den Funktion?ren

Die Verantwortlichen in den Führungsetagen halten sich bisher mit Reaktionen auf die Proteste vornehm zurück, obwohl davon auszugehen ist, dass die Fanverb?nde ihre Anstrengungen noch intensivieren werden.

Bei der EM-Vergabe hat sich der DFB von seiner besten Seite gezeigt und konnte die FIFA von sich überzeugen. Nun gilt es, auch bei den eigenen Fans die richtige Sprache zu finden.