Frankreich: neue Sorgen und Erkenntnisse über Spielsucht

Posted on: 09/11/2019, 05:30h. 

Last updated on: 08/11/2019, 08:26h.

Anl?sslich der am 7. November begonnenen Privatisierung der staatlichen Lotterie Frankreichs, der Fran?aise des Jeux (FDJ), hat sich der franz?sische Nachrichtendienst LCI hat am Freitag intensiv den neuesten Statistiken und Prognosen zum Thema Spielsucht gewidmet.

Mann fasst sich verzweifelt an den Kopf
Neue Erkenntnisse über Spielsucht und Vorg?nge im Gehirn (Bild: Pixabay)

Im Fokus standen dabei vor allem die neuesten Erkenntnisse aus der Spielsuchtforschung der Abteilung für Neurowissenschaften des Pariser Institut de biologie Paris-Seine (IBPS).

Eindeutige Hinweise dank EEG Messungen

Wissenschaftler aus Medizin und Psychologie versuchen schon seit Jahrzehnten, mithilfe jeweils neuesten Technologien den potentiell biologischen Ursachen einer Spielsucht auf den Grund zu gehen.

Seit langem besteht international Einigkeit darüber, dass beim Glücksspiel gewisse Belohnungsmechanismen im menschlichen Gehirn eine Rolle spielen. Mit diesem Ansatz hat sich jüngst auch das Forschungsteam um Jocelyne Caboche am Pariser Biologieinstitut IBPS auseinandergesetzt.

Die Forscherin hat gegenüber dem Nachrichtendienst LCI [Seite auf Franz?sisch] jetzt die aktuellsten Erkenntnisse ihres Teams pr?sentiert. Dabei berief sie sich vor allem auf die Ergebnisse verschiedener Tests mithilfe bildgebender Verfahren.

So habe das Team bei einer Gruppe freiwilliger Teilnehmer per EEG (Elektroenzephalografie) die Gehirnaktivit?ten gemessen, w?hrend diese an einem Tablet Online Glücksspiele spielten.

Bei den Teilnehmern habe es sich dabei nicht um Personen mit bereits krankhaft ausgepr?gtem Spielverhalten gehandelt.

Laut einer aktuellen Sch?tzung des Observatoire des jeux (ODJ), einer staatlichen Beh?rde zur überwachung von Glücksspiel und Gaming, seien aktuell zirka 1,2 Mio. Franzosen von problematischem Spielverhalten betroffen. Bei mindestens 200.000 Personen liege eine ausgepr?gte Spielsucht mit schwerwiegenden Folgen vor.

Vielmehr h?tten die Forscher nachweisen wollen, welche Vorg?nge sich in einem durchschnittlichen menschlichen Gehirn w?hrend des Spielens konkret abspielen.

Aufgrund früherer Theorien und Studien habe dabei das Belohnungszentrum des Gehirns, in welchem die Botenstoffe Dopamin und Serotonin ausgeschüttet würden, im Hauptfokus gestanden.

So entsteht das Gefühl der Abh?ngigkeit

Was die Forscher bei der Auswertung der EEG-Bilder eindeutig h?tten beobachten k?nnen, seien deutliche Ver?nderungen der Dopaminausschüttung innerhalb des Belohnungsareals gewesen.

Dopamin mit Rezeptor in Gehirnzellen
Dopaminspiegel stark vom Glücksspiel beeinflusst (Bild:PublicDomainFiles.com)

Damit habe sich eine seit langem verfolgte Theorie eindeutig best?tigt. Der gr??te Anstieg des Dopaminspiegels sei jeweils mit einem konkreten und von den Teilnehmern nicht erwartetem Geldgewinn einhergegangen.

Doch auch das Gefühl des Nervenkitzels und der Unsicherheit unmittelbar vor dem n?chsten Spiel h?tten bei den Teilnehmern für einen sichtlichen Dopaminanstieg gesorgt.

Gingen die Spieler umgekehrt mit der Erwartungshaltung an das Spiel, in diesem mit Wahrscheinlichkeit Geld zu gewinnen, sei der Dopaminspiegel dramatisch abgesunken.

Dadurch entstünden bei einigen Personen negative Gefühle, deren überwindung bewusst oder unbewusst mit dem n?chsten Spiel in Verbindung gebracht würden. So entstehe eine Abh?ngigkeit von der T?tigkeit des Spielens, unabh?ngig davon, ob der Spieler gewinne oder verliere.

übereinstimmungen mit anderen Süchten

Die Sucht nach dem Glücksspiel sei somit keinesfalls zu untersch?tzen, denn viele der sich im Gehirn abspielenden Mechanismen entspr?chen denen anderer Süchte, inklusive substanzabh?ngiger Süchte wie Alkohol und Drogen.

Die mit der Dopaminausschüttung zusammenh?ngenden Ver?nderungen im Gehirn seien zudem auch im Falle einer Spielsucht dauerhaft. ?hnlich wie bei Alkohol, Tabak und anderen potentiell suchterzeugenden Substanzen stelle sich auch beim Glücksspiel ein Gew?hnungseffekt ein.

Das Gehirn erwarte die regelm??ig erh?hte Dopaminausschüttung. Erfolge diese nicht, empfinde der Spieler ?Entzugserscheinungen“. Caboche erkl?rt dazu:

Um dasselbe Gefühl zu erreichen, muss die Dosis oder die Belohnung erh?ht werden – im Falle des Glücksspiels h?ufigere und h?here Eins?tze -, um den Dopaminspiegel erneut steigen zu lassen. Wird der Zugang zur Droge oder dem suchtbildenden Verhalten verwehrt (wie bei einem Entzug), k?nnen Depressionen mit einem dramatischen Abfall von Serotonin, dem sogenannten Glückshormon, beobachtet werden.

Insgesamt sei eine Glücksspielsucht, oder auch eine Computerspielsucht, rein biologisch also den substanzabh?ngigen Süchten sehr ?hnlich. Das müsse auch in Therapieans?tzen berücksichtigt werden.

Sorge um den künftigen Spielerschutz

Seit der Entscheidung zur Privatisierung der FDJ, dem bisher einzigen in Frankreich legalen Anbieter von Lotterien, Sportwetten und Spielautomaten, schlagen franz?sische Spielsuchtexperten Alarm.

Ihre gr??te Sorge ist, dass die neuen privaten Investoren, die potentiell aus dem Ausland stammen k?nnten, weniger Wert auf Spielsuchtpr?vention legen, sondern vielmehr an den eigenen Profiten interessiert sein k?nnten.

Jean-Michel Costes, der Generalsekret?r des ODJ, erkl?rt, dass mit jedem Prozent der Umsatzsteigerung der FDJ knapp 1.000 neue Problemspieler hinzugerechnet werden müssten.

Die Regierung hat zwar bereits vor Monaten angekündigt, sich auch nach der Privatisierung um den Spielerschutz zu kümmern, doch bleiben die tats?chlichen Auswirkungen vorerst abzuwarten.